Die richtige Erziehung … Gibt es die überhaupt? Oder ist es eher das geringe Verständnis unserer Gesellschaft gegenüber Kindern und Eltern, das hinterfragt werden sollte? Mal davon abgesehen, dass mir das Wort „Erziehung“ per se nicht gefällt. Diese Fragen gingen mir beim heutigen Einkauf im Supermarkt durch den Kopf.
Gemecker auf dem Nachhauseweg
Nachdem ich Alina von der Krippe abgeholt hatte, wollte ich noch schnell etwas für ihren zweiten Geburtstag einkaufen. Schon die Fahrt zum Supermarkt meckerte sie, weil sie nicht im Fahrradanhänger bleiben wollte. Oft lasse ich sie dann raus und ein Stück nebenherlaufen. Aus Erfahrung weiß ich jedoch, dass es dann noch schwieriger wird, sie wieder in den Wagen zu bekommen. Und ich hatte es eilig.
Mir bleibt immer nur eine Stunde zwischen Kita- und Schulschluss. Unsere Erstklässlerin geht zwar schon allein nach Hause, aber ich möchte auch für sie da sein, wenn sie ankommt. Außerdem hat sie keinen Wohnungsschlüssel.
Trotzanfall im Supermarkt
Vielleicht war es auch der Stress, der sich auf die Kleine übertrug. Jedenfalls brüllte sie immer lauter. Schon als wir in den Markt hineinfuhren, schrie sie aus voller Inbrunst. Tränen kullerten über ihre fleischigen Wangen. 15:35 Uhr. In 15 Minuten musste ich also fertig sein und mich auf den Weg zur Grundschule machen.
Alina brüllte so laut, dass sie bestimmt über die drei Stockwerke des Supermarkts hinweg zu hören war. Ich blendete das Geschrei aus. Sie zu trösten, bringt in so einer Trotzphase nichts. Auch ablenken lässt sie sich dann nicht. Meine vorherigen Versuche hatten auch nicht geholfen.
Wir mussten da jetzt durch. „Sie wird sich schon selbst wieder beruhigen“, redete ich mir ein, während ich im Regal nach passendem Kuchendekor für ihre Geburtstagstorte suchte.
Ungebetene Ratschläge in Sachen Erziehung
In diesem Moment ging eine Frau an mir vorbei. Sie warf mir einen mitleidvollen Blick zu: „Sie machen das richtig.“ Ich war verdutzt. Sie blieb stehen, blickte in den Anhänger und sagte ernst zu Alina: „Du bist überhaupt nicht wichtig!“ Bevor ich auf diese übergriffige und unverschämte Aussage reagieren konnte, fuhr sie fort: „Deine Mama ist wichtig!“
Meiner Tochter und mir stockte der Atem. Wir waren so überrascht, dass Alina sogar kurzfristig zu schreien vergaß. „Halten Sie noch vier Wochen durch,“ riet sie mir wohlwollend, bevor sie wieder zwischen den Regalen verschwand.
Alina fing jedoch schnell wieder an zu brüllen. Unser Konflikt: Sie wollte aus dem Anhänger raus, und ich wollte schnell nach Hause.
Am Ende des Supermarktregals sah ich eine ältere Dame, die uns beobachtete. Mein innerlicher Stresspegel stieg.
Bin ich zu nachsichtig mit Alina? Ich lasse vieles durchgehen und verwöhne sie. Vielleicht, weil sie wohl mein letztes Baby ist. Ein Grund kann auch an meinem Alter liegen. Ich bin sehr dankbar, mit Mitte 40 noch ein Wunschbaby bekommen zu haben, und das zeige ich ihr auch. Zudem sieht sie mir sehr ähnlich und erinnert mich an meine eigene Kindheit. Ich möchte ihr das Verständnis geben, das mir nicht immer entgegengebracht wurde.
War die Erziehung früher besser?
Eine junge Frau passierte die alte Dame, die wie versteinert zwischen den Supermarktregalen stehengeblieben war und uns angaffte. Ich versuchte, sie zu ignorieren. Plötzlich tauschten sich die beiden aus, bis sich die ältere Frau laut über Alinas Weinen beschwerte.
Normalerweise ist meine Zündschnur sehr kurz, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle. Doch ich war unter Zeitdruck und musste schließlich ein Vorbild für mein Kind bleiben. „Früher haben die Kinder wohl nicht geweint?“, rief ich der Dame entgegen.
Doch sie verstand offenbar nicht, warum ich Alina nicht mit Worten besänftigen konnte. „Sie ist doch erst eins“, versuchte ich ihr Verhalten zu erklären.
„Das ist die Erziehung heute,“ sagte die alte Dame dann kopfschüttelnd in meine Richtung. Jetzt reichte es auch mir. „Hauptsache, Sie haben alles richtig gemacht,“ entfuhr es mir, und ich verließ das Regal mit dem Kuchendekor – natürlich ohne die Deko, für die ich eigentlich gekommen war.
Mit der brüllenden Alina fuhr ich im Aufzug voller Menschen ins Erdgeschoss. Vielleicht würde sie die Aussicht auf eine Laugenstange beruhigen? Nein, auch die ließ sie kalt.
Unerwartete Hilfe von Fremden
Der Verkäufer von der Fleischtheke lächelte mir freundlich zu: „Ein Stück Gelbwurst?“, fragte er mit ausländischem Akzent. Die Gelbwurst besänftigte meine Tochter, während der griechische Fleischverkäufer mir von seinen Neffen erzählte. Ich atmete auf.
Alina war nun endlich ruhig. Sie hatte ihr Ziel erreicht: raus aus dem Anhänger. Nun wollte sie aber weder wieder hinein noch laufen. Also balancierte ich den vollen Einkaufskorb auf dem Fahrradanhänger und trug Alina auf dem Arm zur Kasse.
Den Korb ausräumen? Keine Chance! Ich stellte ihn aufs leere Kassenband. Doch als ich anfangen wollte, die Lebensmittel mit der freien Hand aufs Band zu legen, hatte der Kassierer den Korb schon zu sich gezogen und begann, selbst auszuräumen. Was in manchen Ländern gang und gäbe ist, wusste ich jetzt besonders zu schätzen. Dankbar und im Lauftempo verließ ich mit Alina auf dem Arm den Supermarkt.
Zweifel und Fragen
An der Schule angekommen, teilte mir eine andere Mama mit, dass unsere große Tochter bereits auf dem Nachhauseweg sei. Da sie mit ihrem Schulfreund oft Geheimwege nimmt, hatten wir es gerade noch rechtzeitig zurückgeschafft.
Zugegeben, ich verhätschele meine beiden Kinder schon sehr. Doch auch wenn mein Freund und meine Große mir immer wieder bestätigen, dass ich „die beste Mama“ sei, kommen mir manchmal Zweifel. Warum hatte Alina so arg geweint und ließ sich durch nichts beruhigen? Ist die Fremdbetreuung doch zu früh für ihr Alter? War der Kita-Tag zu anstrengend für sie? Hatte sie mich vermisst?
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