Introduction

Stillst du freiwillig noch?

Stillst du freiwillig noch?

Mein Sohn ist fast 2,5 Jahre alt. Ich stille ihn daheim und auch in der Öffentlichkeit. In der Kita beim Abholen verlangt er manchmal direkt nach der Brust und ich erfülle ihm den Wunsch. Dabei fragte mich kürzlich eine Kita-Mama „Stillst du freiwillig noch?“

Ich dachte, ich falle vom Hocker. Überhaupt diese Frage so zu stellen, empfand ich als grenzüberschreitend. Langzeitstillen passiert gefühlt am Rande der Gesellschaft.

Warum freiwillig stillen?

Ob ich selbst auch gestillt wurde, weiß ich gar nicht. Ich würde mir wünschen, dass ich einen positiven Kontakt zu meiner Mutter hätte, sodass ich einfach anrufen und fragen könnte. Tatsächlich haben wir uns seit 20 Jahren nicht gesehen, da ich den Kontakt abgebrochen habe aufgrund einer körperlich und psychisch gewaltvollen Kindheit. Deshalb ist es mir wichtig, nicht die gleichen narzisstischen Konditionierungen weiterzugeben.

Ich versuche, seit seiner Geburt, ihn möglichst Bindungs- und bedürfnisorientiert zu begleiten. Ich schreibe an dieser Stelle bewusst begleiten und nicht erziehen.

Generell begleite ich meinen Sohn weitgehend ohne Medikamente und Impfungen und nutze Naturheilmittel und die anthroposophische Medizin. Ich glaube daran, dass das Immunsystem und Nervensystem besser ausgebildet wird durch Stillen und möglichst wenig Chemie im Körper.

Diesen alternativen Weg und freiwillig derartig lange zu stillen, habe ich mir im Vorfeld nicht überlegt, sondern mache ich intuitiv. Ich merke jedoch immer wieder, wie sehr ich ein „Exot“ unter den Eltern bin, die da einen gesellschaftlich mehr verbreiteten Weg gehen.

Unsere Stillbeziehung

Mittlerweile stille ich ihn morgens direkt nach dem Aufwachen und abends nach dem Essen. Sobald er morgens wach wird, krabbelt er schlaftrunken zu mir rüber, zieht mein Shirt hoch und nimmt sich, was er braucht. Dieser Moment am Morgen ist wundervoll. Ich streichele dann seinen Kopf und genieße die Wäre seines Körpers. Ein sehr inniger Start in den Tag.

Wenngleich es mich manchmal auch nervt, geweckt zu werden und nicht richtig wach werden zu können, bevor er die Brust einfordert. Manchmal bitte ich ihn zu warten und dann kullern meist dicke Tränchen.

Inzwischen ist der Fokus nicht mehr auf Nahrungsaufnahme, sondern auf Bindung und Nähe. Mein Sohn ist ständig in Bewegung und entdeckt die Welt. Er sitzt kaum still und hat sehr viel Energie. Somit kommt er auch nicht zum Kuscheln mal zu mir. Da sind die Stillmomente ganz besondere Momente der Nähe. Wir kuscheln uns zuhause unter eine Decke und machen es uns gemütlich.

Zwischendurch habe ich ehrlicherweise schon die Gedanken, dass ich nicht mehr stillen möchte. Das sind Momente, in denen ich meinen Körper nicht teilen möchte oder krank bin oder einfach nur erschöpft. Am Ende haben die Momente, in denen ich an Abstillen gedacht habe, aber nicht die Momente übertroffen, in denen sich das Stillen als stimmig angefühlt hat.

Mein Gefühl sagt, dass unsere Stillbeziehung sich langsam ausschleicht. Mein Sohn nennt die Milch „Brustwasser“ und sagt zunehmend, dass nichts mehr rauskommt. Ich drücke die Brust dann ein wenig und tröpfchenweise kommt noch Milch. Sicherlich stillt das nicht mehr Hunger oder Durst. Es ist jetzt mehr ein Nuckeln als ein Trinken. Nach dem Stillen möchte er meist Wasser trinken und löscht so seinen Durst.

Ich habe gemischte Gefühle bei dem Gedanken, dies Stillbeziehung nicht mehr zu haben. Ich bin stolz, dass sie nun schon fast 2,5 Jahre andauert. Es ist ein einschneidender Abschied und stimmt mich ein bisschen traurig. Wenngleich ich auf der anderen Seite auch mit Freude beobachte, dass mein Sohn autonom sein möchte und das letzte bisschen körperliche „Abhängigkeit“ dann nicht mehr da ist.

Abstillen für mehr Energie

Kürzlich empfahl mir eine Ärztin abzustillen, damit mir mehr Energie zur Verfügung stünde. Ich saß vor ihr und erzählte ihr, dass ich seit Monat krank sei und keine Kraft verspüre. Sie sagte, Stillen koste Energie und wenn ich das einstelle, habe ich die Energie wieder für mich. Das war also ihre Lösung und ich ging gar nicht in Resonanz. Ihren Rat empfand ich als sehr erschreckend und einfach nur von der rationalen Seite betrachtet. Wo bleiben da die Empathie und der Blick auf das große Ganze? Daraufhin wechselte ich den Arzt und fand heraus, warum ich mich Dauerkrank fühle und dazu jede Kitakrankheit mitnehme.

Auf jeden Fall würde ich das Abstillen nicht aktiv forcieren. Es darf natürlich passieren und Stück für Stück ausschleichen. Ich habe eine Freundin, die sich die Brustwarzen abgeklebt hat und dem Kind erzählt hat, sie hätte ein Aua und deshalb könne er nichts mehr trinken. Bis dann er nicht mehr danach gefragt hat nach einigen Tagen. Der Weg hat sich für sie stimmig angefühlt und ich möchte es nicht bewerten. Kann allerdings für mich sagen, dass ich einen derartigen Weg nicht gehen mag.

Online-Recherche zum Thema Stillen

Aus der medizinischen Sicht empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), mindestens sechs Monate voll zu stillen und danach zusammen mit geeigneter Beikost bis zum Alter von zwei Jahren oder länger weiter zu stillen, je nach Wunsch von Mutter und Kind.

Langzeitstillen bezieht sich auf das Stillen eines Kindes über das erste Lebensjahr hinaus, oft bis in das zweite oder dritte Lebensjahr und manchmal darüber hinaus. Während es in vielen Kulturen üblich ist, Kinder über einen längeren Zeitraum zu stillen, wird Langzeitstillen in westlichen Gesellschaften oft unterschiedlich wahrgenommen. Es ist eine persönliche Entscheidung, die stark von kulturellen Normen, individuellen Umständen und familiären Präferenzen abhängt.

Stillst du freiwillig noch?

Ich würde mir wünschen, dass Langzeitstillen gesellschaftlich wieder mehr etabliert ist und diese Frage nicht mehr gestellt wird. Meiner Meinung nach sollte jede Frau für sich selbst entscheiden, ob und wie lange sich das Stillen stimmig anfühlt. Ohne Bewertung oder merkwürdige Blicke, sodass mache  Mamas sogar heimlich ihr Kind stillen.

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