Nach den anstrengenden Monaten mit einer Vollzeitweiterbildung, ständigen Infekten und unzähligen To-do-Listen lag sie endlich vor uns: unsere Mutter-Kind-Kur an der Ostsee – drei Wochen Auszeit vom Großstadtstress. Endlich Zeit, die Seele baumeln zu lassen und ganz für meine Kinder – und für mich – da zu sein. So stellte ich es mir zumindest vor…
Der frühe Vogel …
Nach einer langen und anstrengenden Anreise begann der erste Tag für uns ungewohnt früh: Bis 9 Uhr mussten wir gefrühstückt haben. Wie genau das Küchenpersonal es mit der Zeit nahm, durfte ich später noch erfahren.
Buffet-Routine
Doch ich freute mich, mal nicht einkaufen oder kochen zu müssen. Zum Frühstück und Abendessen gab es täglich ein Buffet mit einer großen Auswahl Aufschnitt, Marmeladen, Joghurt sowie Müsli – und morgens sogar Kaffee. Doch den durfte ich, wie zu Hause, nur selten warm genießen …
In der zweiten Woche stellte ich allerdings fest, dass „Buffet“ hier wohl „immer dasselbe“ bedeutete. Und irgendwann wollten nicht mal die Kinder mehr ihren Lieblingsjoghurt essen.
Der Weg zum Speisesaal – ein tägliches Abenteuer
Der Gang zum Speisesaal war jeden Tag ein kleines Abenteuer. Für meine zweijährige Tochter war der Weg dorthin einfach zu weit. Morgens war sie noch müde, mittags schon wieder – und abends sowieso. Mit dem Daumen im Mund legte sie sich mitten auf den kalten Klinikboden und gönnte sich mehrere kleine Auszeiten – pro Gang. Im Buggy hielt sie es nur selten aus. Wenn wir es endlich in den Speisesaal schafften, war mein Appetit oft schon vergangen.
Mit Alina auf dem Arm wuchtete ich dann meist einen der begehrten Servierwagen zum Buffet und balancierte dabei das Essen aufs Tablett. Alternativ versuchte ich, sie während des Essenholens davon abzuhalten, Geschirr aus den Schränken zu räumen, befreundete Kinder von ihrem Essen abzuhalten oder anderen Unfug anzustellen.
Essensschlacht im Speisesaal
Anfangs machten beide Kinder noch gut mit, auch wenn um uns herum das Chaos tobte. Doch mit der Zeit übertrug sich das Durcheinander auch auf uns. Vor allem das Frühstück vor den Anwendungen bedeutete für mich eine Extraportion Stress.
Alina entdeckte ganz neue Essens-Manieren: Sie aß Suppe mit der Hand, warf mit Besteck nach ihrer Schwester, setzte sich eine Tasse Kakao falsch herum auf den Kopf – am Ende verweigerte sie jedes Essen.
Da wir den Speisesaal pünktlich verlassen mussten, blieb mir oft nichts anderes übrig, als unser Essen mit aufs Zimmer zu nehmen. Das sorgte wiederum für ein ständig schmutziges Zimmer, denn diese wurden nur zweimal pro Woche grob durchgewischt.
Die festen Essenszeiten trotz allem auch etwas Gutes. Zuhause esse ich oft unregelmäßig und snacke zwischendurch – hier merkte ich, wie wohltuend es sein kann, feste Mahlzeiten in den Alltag zu integrieren.
Erholungsmomente am Meer
Auch wenn das Essens- und Betreuungschaos (viele Erzieher wurden während unseres Aufenthalts krank) uns manchmal forderte, gab es schöne Momente der Ruhe und Erholung. Nur eine kleine Straße trennte die Klinik vom Meer. Als ich das erste Mal die Ostsee sah, spürte ich, wie der Stress der letzten Wochen von mir abfiel – diese Weite, die salzige Luft, die raue Schönheit der Wellen.
Das Wetter spielte mit – es war noch sommerlich warm, perfekt, um Muscheln zu sammeln, Möven zu beobachten, Sandburgen zu bauen oder die Strandpromenade entlangzuschlendern und Souvenirs zu shoppen. Denn wie heißt es so schön? Meer geht immer!
Meine Anwendungen während der Mutter-Kind-Kur
Nach einer halben Woche Eingewöhnung startete der erste Kurtag am Montag gleich mit Wassergymnastik. Was ich immer als „Seniorensport“ abgetan hatte, wurde schnell meine liebste Anwendung. Es war der perfekte Einstieg für eine Wasserratte wie mich – und für einen Sportmuffel obendrein! Das Beste daran: Ich musste nur im Bademantel überziehen und konnte danach gemütlich auf meinem Zimmer duschen, bevor die nächste Anwendung startete.
Neben Nordic Walking am Strand hatte ich aufgrund meiner Diagnose noch Rückenfit, Pilates und Faszientraining auf dem Plan, jeweils eine halbe Stunde. Am anstrengendsten empfand ich die Gymnastikstunde, ein Zirkeltraining zu zweit – eigentlich mehr Bootcamp als Gymnastik!
Kreativität und Entspannung für Körper und Geist
Für meine mentale Gesundheit wählte ich Kunsttherapie. Beim Malen konnte ich schon immer wunderbar abschalten und entspannen. Im Atelier der Mutter-Kind-Klinik durfte ich nun mit Pastellkreide experimentieren und meinen persönlichen „Kraftort“ erschaffen – für mich (wie sollte es auch anders sein) die Ostsee.
Doch für mein Empfinden wurde insgesamt zu wenig für die mentale Gesundheit von Mamas und Papas geboten. Ebenso fehlte es an Unterstützung für den oft herausfordernden Alltag mit kleinen Kindern. Ein Gruppenkurs zum Thema „Grenzen setzen“ war das einzige Angebot in diese Richtung – allerdings konnte ich aufgrund der anderen Anwendungen nicht daran teilnehmen.
Neben meinem individuell zugeteilten Programm gab es noch vereinzelte Wahlkurse – mit und ohne Kinder. So entspannte ich mit meiner großen Tochter gemeinsam beim autogenen Training und alleine bei einer geführten Traumreise. Mit Alina nahm ich am Kleinkindschwimmen teil und ihre Schwester besuchte einen Seepferdchen-Schwimmkurs.
Unsere Nachmittage waren also recht vollgepackt, zumal aufgrund des großen Krankenstands unter den Erziehern fast nur noch Terminbetreuungen für die Kinder angeboten wurden – in der Regel während meiner eigenen Anwendungen.
Ab und zu geriet ich mit dem straffen Programm und meinem eigenen Anspruch an Erholung an meine Grenzen. Umso mehr freute ich mich dann auf das Wochenende ohne Termindruck. Doch auch dann nutzte ich die Gelegenheit für eine zusätzliche Hydromassage. Das spezielle Wasserbett mit Massagefunktion war einfach das Entspannendste an der gesamten Kur – besonders in Kombination mit einer Meditation oder Traumreise.
Gefangen im Kuralltag
Die Mutter-Kind- Kur verging wie im Fluge. Ich lernte viele Mamas und auch einige Papas kennen. Im Gang grüßte man sich dann wohlwollend oder nickte sich müde lächelnd zu. Freundschaften schließen? Fehlanzeige. Meine Kinder brauchten einfach zu viel Aufmerksamkeit und wenn man sich mal unterhalten wollte, kam immer etwas dazwischen.
Am Ende erinnere ich mich nur noch an die Namen der Kinder. Von den Müttern (oder Papas) selbst – die hier ja eigentlich mal im Mittelpunkt stehen sollten – habe ich kaum mehr erfahren. Bei jedem ernsthaften Gespräch war die Antwort der Kinder schneller als meine.
Zurück im Alltag – Was bleibt von der Mutter-Kind-Kur?
Zurück in München fühlte ich mich tatsächlich ein bisschen fitter als zuvor. Das trübe Herbstwetter drückt nun allerdings gewaltig auf meine Stimmung. An den besonders grauen Tagen fehlt mir dann doch die Motivation. Der Weg ins Fitnessstudio wird zur Hürde und statt frischem Mittagessen greife ich wieder zu schnellen Snacks. Auch meine Rücken- und Nackenschmerzen sind mittlerweile zurückgekehrt.
0 Kommentare zu “Mutter-Kind-Kur – Auszeit an der Ostsee”