Introduction

Das Ende des Pappstreifens, der Anfang des neuen Lebens

Der nackte Bauch einer Schwangeren Frau im Bikin von zwei Händen schützend gehalten

Das Ende des Pappstreifens, der Anfang des neuen Lebens

Ich tauche das Ende des Pappstreifens in den vollen Becher, zähle die Sekunden, die der Wecker im Bad tickt (ja, wir benutzen noch analoge, tickende Uhren), bloß nicht zu lang, bloß nicht zu kurz. Eigentlich bin ich ja nur übervorsichtig. Oder?

Keine regelmäßige Periode, aber regelmäßig Alkohol! Schwanger? Sicher nicht..

Es ist Feiertag, Heilige Drei Könige, meine Periode hätte an Neujahr beginnen sollen. Nun gut, ich hatte ja noch nie regelmäßige Tage. Noch dazu habe ich Alkohol getrunken an Weihnachten und Silvester. Nicht viel, vor allem nicht im Vergleich zu früher, aber doch genug, um zu wissen, dass das meinen Zyklus wieder durcheinanderbringen kann. Also wahrscheinlich ist das nichts, nur übermäßige Vorsicht, nur um sicherzugehen, nur um nicht Schrödingers Schwangere zu sein und Gewissheit zu haben. Dass es wirklich nicht geklappt hat.

Schwanger? Testen: mit Sicherheit besser und ein bisschen warten

Sicherheitshalber habe ich trotzdem den Feiertag abgewartet für den Test. Zum einen, weil ich nicht nach ein oder zwei Tagen Verspätung gleich Geld für einen Test herauswerfen wollte. Ein bisschen Warten muss sein. Zum anderen, auch wenn ich sicher bin, dass ich nicht schwanger bin: solange ich in dieser Ungewissheit, in dieser Unschärfe schwebe, gleichzeitig schwanger und nicht, schwingt doch ein Fünkchen Hoffnung mit, trotz meines Realismus – den andere vielleicht als Pessimismus bezeichnen – würden. Und auch, wenn ich es mir noch so sehr vor Augen halte, dass die Chancen minimal sind – es gibt ja klare Anzeichen, dass es nicht geklappt hat – so habe ich doch irgendwie die paradoxe Sorge, zu sehr enttäuscht zu sein, wenn dieser Test nur einen Streifen anzeigt. Daher mache ich das lieber jetzt, in aller Ruhe, anstatt gehetzt vor der Arbeit. Ich versuche meinen eigenen wirren Gedankengang nachzuvollziehen, wie bescheuert, irrational, warum mache ich diesen Test überhaupt, herausgeworfenes Geld, auch ein Funken kann ein ganzes Haus in Schutt und Asche legen. Ich hätte lieber noch ein, zwei Tage warten sollen, die Periode doch noch abwarten, anstatt mir den freien Tag zu versauen.

Warum ich so sicher bin, dass ich nicht schwanger bin?

Warum ich so sicher bin, dass ich nicht schwanger bin? Meine Brüste tun weh. Sie tun immer weh zwischen Eisprung und Periode. Seit einer Ewigkeit. Sie haben auch im letzten Zyklus weh getan und so wusste ich, dass es nicht geklappt hatte. Diesmal haben sie auch wieder weh getan, seit kurz vor Weihnachten schmerzen sie. Als ich – wieder – mit schmerzenden Brüsten aufgewacht war, kam die traurige Sicherheit. Andererseits, was ist denn schon traurig daran, wir versuchen es ja noch gar nicht so lange. Ich habe gerade erst einen neuen Job angefangen.

„Nicht unfruchtbar, da ist noch was drin“

Und die kaputte Schilddrüse, die hat man ja auch erst letztens entdeckt, das wurde ja noch gar nicht richtig eingestellt, das kann dauern, hat die Ärztin gemeint, ein Jahr bestimmt, und dass das nicht die idealen Bedingungen sind, um schwanger zu werden, das weiß man ja. Und überhaupt, ich weiß ja leider, dass meine Fruchtbarkeit gar nicht so toll ist. Das weiß ich dank der Paranoia, etwas könnte nicht ganz normal sein, schon seit Anfang 20. Ich weiß, jetzt, mit Ende 20 habe ich die Eizellreserve einer Frau Ende 40. „Nicht unfruchtbar, da ist noch was drin“ – das meinte auch der Arzt im Kinderwunschzentrum kurz vor Weihnachten – aber ja, es kann sein, dass es nicht ganz so einfach wird, nicht ganz so schnell passiert.

Eizellen einzufrieren – Social Freezing nennt sich das

Und eben, Kinderwunschzentrum. Dort hat man ja, kurz nach dem Eisprung, auch Hormone gemessen. Da wäre ja aufgefallen, wenn was wäre, denke ich mir. Also ja, dieser Zyklus ist sicher nichts geworden. Aber ist ja auch nicht schlimm. Denn dafür war ich ja im Kinderwunschzentrum – ich habe mich nämlich entschieden, Eizellen einzufrieren. Social Freezing nennt sich das. Geliebäugelt damit habe ich schon mit 20. Für den Fall der Fälle, und um dem Ganzen den Druck etwas rauszunehmen.

Ein paar Eizellen, vorbildhaft geerntet

Wenn es halt nicht klappt auf natürliche Art und Weise, dann haben wir ja noch ein paar Eizellen in Reserve, falls meine Eierstöcke doch zu bald schon den Geist aufgeben. Ein paar Eizellen, vorbildhaft geerntet noch vor dem 30. Geburtstag. Vielleicht etwas ungewöhnlich, wenn man verheiratet ist und gerade erst angefangen hat, es zu versuchen. Das alles geht derbe in den Geldbeutel, aber schon allein die Erleichterung, das Gefühl, irgendetwas zu tun, irgendein Stückchen Kontrolle zu haben über meinen Körper, wenn es auch nur ein teurer Schein ist, ist mir, ist uns, das Geld wert. Mit dem Beginn des nächsten Zyklus fangen wir dann an mit den Hormonspritzen, und dann ist das auch schon erledigt Ende Januar. Als meine Brüste anfangen weh zu tun und ich sicher war, nicht schwanger zu sein, haben wir die Medikamente gekauft. Knapp über 1300 €. Liegen im Kühlschrank, bereit für ihren Einsatz.

Zu früh, zu schnell, kann nicht schwanger sein

Also ja, ich kann nicht schwanger sein. Es wäre noch zu früh, es wäre zu schnell, zu einfach. Ich bin so sicher, dass ich, trotz der Abstinenz der letzten Wochen und Monate, an Weihnachten doch etwas Weißwein trinke. Wir sind bei meiner Familie zu Gast, und es ist fast eine Trotzreaktion, ein „Nein, wir sind noch nicht so weit, hier ist der Beweis!“ Und an Silvester stößt man ja auch an. In unserem Falle mit etwas selbstgemachtem Punsch, auch nur zwei Gläschen. Und etwas Eierlikör.

Hat der Alkohol meinen Zyklus so krass geschrottet oder frühe Wechseljahre?

Na gut. Es ginge schlimmer. Oder? Trotzdem komme ich mir gerade vor wie der letzte Idiot. Es war nur ein wenig Alkohol und über einen langen Zeitraum verteilt, aber musste das denn jetzt gerade sein? Hat das meinen Zyklus jetzt schon wieder so krass geschrottet? Ich bin fünf Tage darüber. Oder sind das doch schon die frühen Wechseljahre?

Da ist er auch schon, der Kontrollstreifen. War ja klar. Wobei, Moment, ist der nicht weiter hinten normalerweise? Der Feuchtigkeitsfilm läuft weiter und keine Sekunde später ist da der Kontrollstreifen. Nach einem anderen ersten Streifen. Mein Herz rutscht in den Solar Plexus. Der Test ist positiv.

Der nackte Bauch einer Schwangeren Frau im Bikin von zwei Händen schützend gehalten

Foto von Ignacio Campo on Unsplash

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