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Das Recht auf Wissen und Nichtwissen: Die Pränataldiagnostik (II)

Das Recht auf Wissen und Nichtwissen: Die Pränataldiagnostik (II)

Für uns war es klar eine Entscheidung für die Pränataldiagnostik. Genauer gesagt entschieden wir uns sehr schnell für eine NIPT, also einen genetischen Bluttest noch im ersten Trimester. Wir wollten wissen, was es zu wissen gab, soweit man etwas sagen konnte. Auch wenn alle Aussagen immer mit Restrisiko behaftet sind und es keinerlei Garantie für ein gesundes (oder krankes) Kind gibt. Für uns war eine informierte Entscheidung wichtig, für eine bewusstere und ja, auch entspanntere, Schwangerschaft.

Und am Ende wollten wir an dieser (trüben) Klarheit nicht sparen – auch wenn eine NIPT echt nicht billig ist. Wir hatten das Glück, dass die NIPT durch Kontakte echt günstig war und am Ende nicht mehr kostete, als ein klassisches Ersttrimester-Screening. Günstig war das trotzdem nicht.

Hier, in den anonymen Weiten des Internets, kann ich es auch mal offen zugeben: Wir hätten uns bei einem auffälligen Befund sehr wahrscheinlich für einen Abbruch entschieden. Zumindest war das am Anfang der Schwangerschaft unser gemeinsamer Kanon. Natürlich sind hypothetisch-ideologische Überlegungen das eine, und die praktische Durchführung immer das andere.

Was wäre wenn

Es schien uns wichtig, uns im Vorfeld Gedanken gemacht zu haben, was wäre, wenn. Gleichzeitig kann man sich nicht alle Wenn-Dann-Szenarien im Vorfeld ausmalen. Bei Pränataldiagnostik denkt man oft nur an das Down-Syndrom. Andere Chromosomenstörungen und Gendefekte, aber auch Anomalien wie Neuralrohrdefekte, Herzfehler und Organfehlbildungen geraten häufig in den Hintergrund.

Will man nun die ganze Palette an möglichen „Fehlern“, die gefunden werden könnten, durchgehen, und im Vorfeld ein Entscheidungsdiagramm malen, ist man bis zur Geburt beschäftigt. Mal ganz zu schweigen davon, dass selbst eine spezifische Erkrankung, Fehlbildung oder Syndrom sich auf unterschiedliche Weise manifestieren können und man die Schwere bzw. den Grad im Vorfeld selten genau bestimmen kann.

Wir hatten einen Fahrplan. Wir wussten aber auch, dass es möglich war, von ihm abzuweichen, basierend auf echten Daten. Was wir also tatsächlich für eine Entscheidung treffen würden, wenn wir ein auffälliges Ergebnis erhielten, kann ich nicht sagen.

photo by sangharsh lohakare via unsplash

Richtig und falsch

Vieles geht, nichts muss. Man darf Untersuchungen durchführen lassen. Manchmal wird dazu geraten, etwa bei erhöhter Wahrscheinlichkeit für Trisomie 21 aufgrund eines höheren Alters. Man kann auch keine Tests in Anspruch nehmen, oder Angebote und Empfehlungen ablehnen. Die Entscheidung, ob man Pränataldiagnostik durchführen lassen will, und welche Art davon, ist höchst individuell. Und richtig oder falsch ist dabei vollkommen subjektiv.

Für uns war unsere Entscheidung die richtige. Wir wollten das, was man mit hoher Wahrscheinlichkeit sicher bestimmen kann, bestimmen lassen. Auch wenn das nur sehr begrenzt „Entwarnung“ gibt. Auch wenn nur weniges überhaupt in utero erkannt werden kann.

Trotzdem fühle ich mich unwohl, anderen Leuten von dieser Entscheidung zu erzählen. Ich glaube, ich habe Angst, als selektiv, exklusiv, herabwürdigend gesehen zu werden. Mir fehlte das große Herz, mich von meinem Kind überraschen zu lassen, es zu nehmen, wie es ist. Und auch ganz ehrlich, klar ist es unglaublich herablassend, einem Ungeborenen weniger „Qualität“ zuzuschreiben. Bis hin dazu, sein Lebensrecht abzuerkennen, aufgrund einer Abweichung von der Norm. Allerdings wäre es auch keine gute Lösung gewesen, mir mehr psychische Stabilität und Kraft zuzuschreiben, als ich habe.

Und auch ein bisschen hohes Ross

Zum Schluss sei noch angemerkt, dass die ganze Diskussion über das Für und Wider von Pränataldiagnostik hier von einem unglaublich privilegierten Standpunkt aus erfolgt. Wir haben die Wahl, uns für Diagnostik zu entscheiden. Wir haben auch die finanziellen Mittel. Manche Untersuchungen zahlt die Krankenkasse, andere – so wie die NIPT – kosten eine Menge Geld. Wir haben auch die Freiheit, eine Schwangerschaft abzubrechen. Am Anfang sogar ohne medizinischen Grund. Und wenn wir ein behindertes oder krankes Kind bekommen, gibt es Hilfsangebote.

All das sind Möglichkeiten, die eigentlich nur einem kleinen Bruchteil an Leuten auf der Welt zur Verfügung stehen.

Ich würde mich wieder für eine NIPT entscheiden, auch wenn ich nicht weiß, ob wir immer noch bei einem auffälligen Befund einen Abbruch in Erwägung ziehen würden. Als netten Gimmick haben wir auch noch das (biologische) Geschlecht erfahren dürfen, denn auch hier entschieden wir uns lieber fürs Wissen als fürs Nicht-Wissen.

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