Introduction

Trinkverhalten. Wer trinkt, gehört dazu.

Trinkverhalten. Wer trinkt, gehört dazu.

Ganz ehrlich: Ich kann beim besten Willen nicht mehr rekonstruieren, wie damals eigentlich alles angefangen hat und wie, wann oder wieso mein Trinkverhalten so krass aus dem Ruder gelaufen ist.

Wie bei so vielen stand Alkohol und Betrinken hoch im Kurs als Teenager und junger Erwachsener. Erstmal reserviert für Treffen mit Freunden, Partys, oder als Trostpflaster bei den Dramen, die das Leben so schreibt. Ein Allheilmittel, wie es uns nur zu oft propagiert wird. Ob in der Schule oder auf der Uni: Alkohol gehört zum guten Ton und zum guten Abend. Er gehört zum Sozialleben dazu. Wer trinkt, gehört dazu. Und alle trinken viel. Ist ja fast schon cool, man kann damit angeben, eine halbe Flasche Whiskey nebenbei zu trinken und noch höhere Algebra mit Bestnote lösen zu können. Hochfunktionaler Alkoholiker der Topklasse.

Photo by Yutacar via Unsplash

Irgendwann trinkt man dann auch mal allein. Trinkt nach der Party weiter. Macht allein Party. Trinken, weil Feiertag ist, wird zum Trinken, weil Nachmittag ist, weil Vormittag ist. Wird zum Trinken aus Langeweile. Wird zum Trinken, weil man verkatert ist. Wird zum Trinken, weil man die Hangxiety nicht erträgt. Funktioniert alles super, bis irgendwann gar nichts mehr funktioniert.

„Du bist doch kein Alkoholiker!“

Den eigenen Alkoholkonsum in den Griff zu bekommen, steht daher lange auf meiner To-do-Liste und verstaubt. Immer wieder gibt es Momente, in denen ich nahestehenden Personen vorsichtig versuche zu sagen, dass ich glaube, dass ich ein Problem habe. Meine Sorgen werden immer wieder abgetan. Ja, du trinkst viel, aber du bist doch kein Alkoholiker. Ein Alkoholiker hat kein Leben deiner Art.

Heute weiß ich: Man kann seinen Alkoholkonsum verdammt gut verstecken, auch wenn er Ausmaße annimmt, die man weder sich noch seinem größten Feind wünscht und, dass dieser mittendrin harmloser aussieht als im nüchternen Blick zurück. Und so dauert es noch lange, lange Jahre, bis ich mir zutrauen kann, für ein Kind wirklich nüchtern zu bleiben. Durch AA und KT, durch Baclofen und heimliches Trinken, durch einen Tanz aus Fort- und Rückschritten.

Erstmal einen zweiten Test zum Sichergehen…

Ich muss einen zweiten Test machen. Gut, dass ich zwei da habe. Ich muss einen zweiten Test machen, ehe ich Georg Bescheid sage. Erstmal nicht ausflippen, erstmal nichts überstürzen, erstmal sichergehen. Sonst mache ich jetzt viel Wirbel um nichts. Wenn auch der zweite Test positiv ist, dann informiere ich ihn. Ich überlege mir, wie ich es sage, wie ich es schön, aber korrekt ausdrücke. Denn erst der Gynäkologe kann bestätigen, dass ich schwanger bin und gerade ist nur der Test positiv, auch ein Spontanabort kann noch passieren, denn die Wahrscheinlichkeit ist noch relativ hoch. Oder eine Eileiterschwangerschaft. Es kann noch viel schiefgehen. Also, vorsichtig freuen, ja, aber realistisch bleiben. Oder warte ich gar den gynäkologischen Befund ab und überrasche ihn dann mit irgendwas? Mit Babyschuhen? Oder nein, ich koche ganz viel Minigemüse, und dann kommt er darauf. Oder ich packe ein Brötchen in den Ofen?

„Alter…“

Ein Augenblick, auf eine Ewigkeit gedehnt. Es passt ein ganzes Leben an Gedanken rein. Ich kann sehr viel in einer Millisekunde denken, aber anscheinend kann ich mich noch schneller und komplett geistesabwesend bewegen, denn es dauert auch nicht länger als diesen Augenblick, und ich stehe schon mit dem Pieseltest im Wohnzimmer und sage Georg, im abgedroschensten Slang: „Alter, was geht, ich bin schwanger.“

Ein positiver Schwangerschaftstest - endlich schwanger und jetzt keinen Tropfen Alkohol mehr!

Photo by Laura Ohlman via Unsplash

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