Introduction

Der wichtigste Job, den ich je hatte

Der wichtigste Job, den ich je hatte

Der wichtigste Job, den ich bis dato hatte, war gleichzeitig auch der am schlechtesten bezahlte Job, den ich je hatte.

Unbezahlte Überstunden und Nachtarbeit, keinerlei Feedback- oder Entwicklungsgespräche, repetitive Aufgaben tagein tagaus und um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen: eine Reduzierung meiner ohnehin schon dürftigen Bezahlung nach zwölf Monaten auf null Euro. Zudem war meine einzige Kundin ein mitunter launenhaftes, unberechenbares Wesen, dem man mit Vernunft partout nicht beikommen konnte.

Auf dem freien Arbeitsmarkt undenkbar, ja schon fast skandalös, möchte man sagen. Für eine Vollzeitmama aber völlig normal.

Gleichzeitig war diese eine Kundin – mein Baby – ja das Wichtigste und Wertvollste für mich. Wie sollte ich für das Privileg, mit ihr Zeit verbringen zu können, auch noch guten Gewissens eine Bezahlung erwarten? Mit welcher Rechtfertigung konnte ich hier Forderungen stellen? Und an wen überhaupt?

In den letzten Jahr(zehnt)en hat sich bei uns zum Glück einiges getan. Mutterschutz, Elternzeit, Elterngeld… alles Errungenschaften, die nicht immer selbstverständlich waren (und es auch in vielen Ländern heute noch immer nicht oder nur in deutlich geringerem Ausmaß gibt). Dinge also, für die man durchaus dankbar sein kann. Wenn aber der geschenkte Gaul nur drei Beine hat, kommt man auch nicht sonderlich weit.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt…

Bis zur Geburt meiner Tochter hatte ich mir in über zehn Jahren Berufsleben eine Karriere aufgebaut, die mir finanzielle Sicherheit, Entwicklungsmöglichkeiten und Respekt einbrachte.

Der erste Schlag kam mit meinem letzten offiziellen Entwicklungsgespräch wenige Monate vor Beginn meines Mutterschutzes: die in meinem Entwicklungsplan festgehaltene Beförderung, die etwa zum Zeitpunkt der Geburt meines Babys geplant war, war wie zu erwarten vom Tisch. Warum sollte man eine Frau befördern, bevor oder just in dem Moment, in dem sie in den Mutterschutz ging? Frustrierend, so weit aber leider auch wenig überraschend. Als Nächstes wurde dann mit Blick auf meinen Wiedereinstieg nach der Elternzeit meine Hoffnung auf ein direktes Anknüpfen zunichtegemacht. Ich würde ja sicherlich in Teilzeit wieder kommen, unter der Voraussetzung wäre die neue Position nicht ausfüllbar. Hallo Karriereknick. Auch im 21. Jahrhundert noch immer primär ein Frauenproblem. 

Und ja, natürlich hätte auch mein Partner in Elternzeit gehen und ich nach dem Mutterschutz direkt zurückkehren können. Natürlich könnte auch mein Partner nach dem Ende der Elternzeit in Teilzeit zurückkehren und ich wieder 100 % arbeiten. Fakt ist, einer von beiden muss zurückstecken. Fakt ist auch, dass das in den allermeisten Fällen noch immer die Frauen sind. Kind oder Karriere – für eines von beiden muss man sich in dem Moment entscheiden. 

Und das hat weitreichende Folgen. Verdienstausfall während der Elternzeit heißt leider auch: geringere Einzahlungen in die Rentenversicherung, kaum bis keine Sparmöglichkeiten, weniger private Altersvorsorgemöglichkeiten und (wenn man es negativ formulieren will) Abhängigkeit vom Partner. 

Von DINK (double income no kids) zu ein-Ernährer-plus-etwas-Elterngeld ist ein harter Schnitt. Wer die Münchner Immobilienpreise und Lebenshaltungskosten kennt, der weiß, dass auch der Elterngeldhöchstsatz von 1.800 € keinen großen Spielraum zulässt. Warum das Elterngeld gedeckelt ist und sich nicht dynamisch an Lebensumstände anpassen lässt, ist mir ein Rätsel. In einem 1.000 Seelen Dorf in der bayerischen Provinz wird man mit dem gleichen Elterngeldsatz deutlich komfortabler leben können, als in einer Millionenstadt.

Der zweite Schlag kam mit der Nachricht meiner Krankenversicherung. Als freiwillig gesetzlich Versicherte muss ich meinen Krankenversicherungsbeitrag während der Elternzeit aus eigener Tasche bezahlen. Die Ironie an der Geschichte: freiwillig gesetzlich versichert ist man, wenn man eine gewisse Einkommensgrenze überschreitet und sich bei der Wahl zwischen Privat- oder gesetzlicher Versicherung für letzteres entscheidet. Dumm nur, dass man während der Elternzeit eben dieses Einkommen NICHT mehr bekommt und trotzdem daran bemessen wird. Diese Information kam für mich unerwartet und fühlte sich wie eine Bestrafung für meine bisher gut verlaufene Karriere an.

Und wer jetzt denkt, man könne sich dann wenigstens mit einem kleinen Zuverdienst die Taschen aufbessern, dem muss ich leider sagen, diese Rechnung wird unbefriedigend ausgehen. Durch Zuverdienst wird nämlich das Elterngeld gekürzt. Der dritte Schlag.

Ende gut, alles gut?

Klingt alles unfair und nicht besonders befriedigend? Mag sein. Kratzt es irgendwie an meinem Ego, dass ich, als gut ausgebildete, bis dato selbständige Frau nun von meinem Freund abhängig bin? Ich muss gestehen, ja, sowas von!
Dennoch würde ich mich immer wieder genau so entscheiden. Für mein Kind. Für die Elternzeit. Jeder Tag mit diesem kleinen Sonnenschein ist es wert (vorübergehend) auf meine Karriere zu verzichten, finanzielle Abstriche zu machen und meine eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen. Aber wie toll wäre es, wenn man dabei nicht ständig das Gefühl haben müsste, benachteiligt zu werden?
Auch wenn die neue Bundesregierung das Thema angehen will, bis zu einer tatsächlich nicht nur familienfreundlichen, sondern familienfördernden Gesellschaft ist es noch ein weiter Weg.

Abschied

An dieser Stelle verabschiede ich mich aus dem Blog. Es hat mir viel Spaß gemacht, euch auf unsere Reise ins Elterndasein mitzunehmen. Die (Eltern)Zeit vergeht einfach rasend schnell und bevor es für die Kleine in die Krippe und für mich zurück ins Berufsleben geht, muss ich mir noch ein paar Lächeln abholen. Die einzige Bezahlung, die in diesem – meinem wichtigsten – Job am Ende zählt.
Denn wenn sie dich erst einmal anlächeln … 🙂

Weitere spannende, lustige, traurige, inspirierende Beiträge findet ihr hier weiterhin bei Elena und Sunny.

Liebe Grüße
Mary

Photo by Rodnae Productions on Unsplash

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