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Geburtstag feiern im Babyformat

Geburtstag feiern im Babyformat

Bald, wenn die Sommerhitze langsam zu schwinden beginnt, wird Clara zwei Jahre alt.

Mit ihrem Geburtstag nähert sich auch wieder die Frage nach einer Feier. Ihren ersten Geburtstag haben wir im kleinen Rahmen gefeiert, zu dritt. Am Nachmittag kamen noch Großeltern, Cousin und Tante dazu. Da hatte ich mir bereits den Kopf gemacht, womit wir eigentlich anstoßen würden. Schorle? Limo? Bei einem Kindergeburtstag braucht es ja nun wirklich kein Bier. Was mir da auch langsam bewusst wurde, war, dass dieses Anstoßen so verinnerlicht ist, dass wir es kaum noch infrage stellen. Muss es denn ein besonderes Getränk sein, zu einem besonderen Anlass?

Vom Besonderem und Belohnungen

Kinder-Ernährungsratgeber propagandieren immer häufiger, dass man dem Dessert und Süßem bitte keinen besonderen Stellenwert zuschreiben soll. Wenn es das Dessert nur als Belohnung dargestellt wird, lernen Kinder, so heißt es, dass Süßes und Ungesundes „besser“, „wertvoller“, „schmackhafter“ ist. Und wollen es umso mehr. Also: Kekse zusammen mit Karotten präsentieren, damit sie den Reiz verlieren?

Schokozigaretten und Kindersekt

Gleichzeitig leben wir das Anstoßen und die „besonderen Getränke“ vor. Besonders krass erscheint mir hierbei das Marketing eines Kinder-Partygetränks, das mich schon in der Schwangerschaft beschäftigt hat. Die Werbung und Jingles habe ich noch aus meiner eigenen Kindheit im Kopf. Und da so eine zuckrige Saftschorle in der Sektflasche auch teuer vermarktet wird, gab es sie auch nur an Geburtstagen oder mal an Weihnachten. Während Kaugummi- und Schokozigaretten längst aus den allermeisten Regalen verschwunden sind, wird „Kindersekt“ immer noch verkauft und an Kinder gerichtet vermarktet. Braucht es denn wirklich ein Produkt, das dem erwachsenen Gegenstück so ähnlich sieht, dass man besser mal „no alcohol“ auf das Etikett packt?

photo by eilis garvey via unsplash

Anstoßen zur Feier und Alkohol im Alltag

Also, sollen wir das Anstoßen überhaupt vorleben? Wir entschieden uns letztendlich dagegen. Es gab hauptsächlich Tee zum Kuchen, und die Sektgläser blieben im Regal. Keiner schien es zu vermissen.

Ich will eigentlich weder das gelegentliche Bier, noch das Anstoßen mit Sekt verteufeln. Etwas infrage stelle ich schon, wie normal Alkoholkonsum in Deutschland zum Alltag gehört, und wie sehr wir das unseren Kindern vorleben. Aber das liegt eben auch daran, dass ich in meinem Leben schon sehr, sehr viel und oft an Alkohol gedacht habe.

Den Alkohol im Blut

Mir ist auch klar, dass ich eine Tendenz zum Suchtverhalten habe. Auch der Alkoholkonsum meines Großvaters väterlicher- und meines Urgroßvaters mütterlicherseits waren wohl sehr fragwürdig, auch wenn deren Verhalten damals wohl eher als männliches Über-die-Stränge-Schlagen angesehen wurde, oder als Coping-Mechanismus, um Kriegserlebnisse zu verarbeiten. Es ist möglich, dass auch Clara solche Tendenzen geerbt hat.

Insofern macht es vielleicht für mich und meine Familie Sinn, unser Trinkverhalten und solche gesellschaftlichen Traditionen umso reflektierter zu betrachten. Und dem Alkohol, der etwas Besonderes ist, das Besondere zu nehmen. Claras Geburtstag konnten wir auch ohne Anzustoßen herrlich feiern – mit ihr und ihren Bedürfnissen im Fokus und der Freude darum, dass sie seit einem Jahr unsere Welt bereichert. Und nun, schon bald, seit zwei. Auch das werden wir sicher super feiern – und die Sektgläser können noch ein kleines Weilchen länger im Regal verharren.

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