Introduction

Alkohol in der Mutterschaft

Alkohol in der Mutterschaft

Claras erstes Jahr verging wie im Flug. Kaum war sie da, war sie auch schon wieder anders. Mit jedem Tag veränderte sie sich, wuchs, nahm zu, lernte dazu, entwickelte sich weiter. So wie wir als Eltern von Tag zu Tag irgendwie älter und erwachsener wurden.

 

Es ist unfassbar, wie viel Persönlichkeit so ein kleiner Mensch schon mitbringt, wie stark sie sich in so einer kurzen Zeit weiterentwickelt und entfaltet. Am Ende des ersten Jahres hatte dieses Wesen nur noch wenig gemein mit dem Säugling, der vor einer Erdrevolution das Licht der Welt erblickte.

Auch das zweite Jahr verfliegt nicht langsamer als das erste. Es scheint, wenn überhaupt nur an Tempo zuzunehmen.

Photo by michael fenton via unsplash

Viel Charakter auf kleinem Volumen

Es ist so viel passiert. Sie läuft, tobt, redet wie ein Wasserfall, singt ihre Ohrwürmer vor sich hin, führt Konversationen zwischen Plüschtieren und will immer wieder Kinderreime lesen, die sie zum Großteil schon auswendig kennt. Sie knüpft Kontakte am Spielplatz, macht gerne ältere Kinder nach, und teilt ihr Spielzeug nur allzu gerne (noch).

Immer noch stillt sie sehr viel und isst wenig Beikost. Manchmal verliere ich mich in Sorgen um die Nährstoffe, doch dann sehe ich ein Kind, das fit und munter ist, das einen Entwicklungssprint hinlegt und schnell (für mich manchmal fast schon zu schnell) von Meilenstein zu Meilenstein springt. Sie braucht wenig Schlaf, teilweise weniger, als Papa und Mama bräuchten. Wenn zwei Koalas eine Giraffe zeugen.

photo by jordan whitt via unsplash

Jetzt mal Klartext: Wann gibt es wieder Alkohol?

Da ich immer noch so viel stille, lasse ich die Finger auch weiterhin vom Alkohol. Das irgendwann später ist also immer noch nicht eingetreten. Und je länger ich Mutter bin, desto mehr glaube ich, wird das auch so bleiben. Und zwar auch, wenn ich abgestillt habe.

Zu fest möchte ich mich nicht festlegen. Ich glaube, laut zu sagen, ich möchte nie wieder auch nur einen Schluck Alkohol trinken, ist mir einfach ein Versprechen, dass zu radikal ist. Es ist etwas, das ich so nicht sagen kann. Ich will mir diesen Druck nicht machen. Ich will nicht an ihm kaputtgehen, kein Versprechen brechen, nicht scheitern.

Kein Platz für Alkohol

Was ich aber sagen kann: Zumindest für die nächsten Jahre sehe ich keinen Platz für Alkohol in meinem Leben. Ganz ehrlich: Dafür ist mir das Leben mit einem Kleinkind zu krass. Es ist körperlich anstrengend, ich schlafe wenig, und ich kann mir einfach partout nicht vorstellen, wie ich denn bitte einen Kater managen würde. In ihrem zweiten Lebensjahr waren wir oft krank, oft nacheinander –krank sein mit Kind ist etwas ganz anderes als krank sein ohne Kinder. Sich absichtlich „krank machen“ kann ich mir hier wirklich nicht vorstellen.

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Unberechenbar und selbsterfüllend

Zum anderen sind meine Reaktionen auf Alkohol unberechenbar. Ich konnte mal eine Flasche Whiskey trinken und fühlte mich super, an anderen Tagen war ich nach einem halben Glas Rotwein nervös, panisch, schwitzte und war nicht mehr bei mir. Eine solche Reaktion kann bzw. möchte ich mit einem kleinen Kind auf keinen Fall riskieren.

Ich habe letztendlich eine Aufsichtspflicht und möchte weder angetrunken noch mit einer Panikattacke auf meine Tochter Acht geben. Würde dann noch zusätzlich etwas passieren, selbst wenn es unzusammenhängend wäre, würde ich es mir nicht verzeihen können. Selbst wenn ich ein Glas Wein gut vertragen würde, ich wäre viel zu nervös, würde viel zu sehr auf negative Symptome warten, wäre viel zu abgelenkt, um zu 100 % bei ihr zu sein. Das klingt stark nach selbsterfüllender Prophezeiung. Das brauche ich nicht und möchte ich nicht.

Und falls doch?

Sollte ich also doch eines Tages Alkohol wieder in mein Leben lassen, dann erst, wenn Clara wirklich selbstständig ist. In meinem Kopf wäre das irgendwann mit 12-14 Jahren. Aber dieses Alter ist eher aus der Luft gegriffen. Auf Alkohol im Essen, also in Tiramisu oder Rotweinsauce, werde ich aber nicht so lange verzichten. Das werde ich vorsichtig auf den Teller packen, sobald ich nicht mehr stille. Clara scheint sich da noch Zeit zu lassen. Doch eines Tages werde ich dieses Stück Schwarzwälder Kirschtorte wieder in mein Leben lassen. Versprochen.

Claras Zukunft mit Alkohol

Natürlich werden wir Clara nicht von ihren eigenen Erfahrungen mit Alkohol abhalten. Können wir nicht und wollen wir auch nicht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie irgendwann einmal in der Zukunft stockbesoffen nach Hause kommen wird. Dass sie betrunken etwas Dummes macht. Oder sich sogar in eine gefährliche Situation begibt. Dass sie mit ihren Freunden vielleicht noch, ehe es legal ist, Alkohol besorgt und überlegt, wie sie die Fahne am besten vor uns versteckt. All das und noch ganz viel anderes sind sehr wahrscheinlich Dinge, die uns als Eltern irgendwann mal begegnen werden. Das gehört eben dazu zum Kinder haben, sein Herz außerhalb des Körpers tragen und so.

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Unsere Aufgabe als Eltern

Unsere Aufgabe wird, denke ich, darin liegen, sie zum einen über die Gefahren von Alkohol aufzuklären – und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass hier traditions-, kulturell und auch lobbybedingt vieles echt aus dem Ruder läuft. Und zum anderen darin, ihr einen bewussten und möglichst gesunden Umgang mit Alkohol vorzuleben. Ich glaube fest daran, dass wir zumindest letzteres gut meistern werden.

Ich hoffe auch, wir werden es schaffen, ihr ein Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens zu vermitteln. Mir ist es unendlich viel lieber, dass sie mich mitten in der Nacht anruft, weil sie betrunken auf einer Party ist und den Heimweg allein nicht mehr sicher antreten kann, als dass sie Ärger von den Eltern fürchtet.

Vergangenheit, Zukunft und das Jetzt

Wie viel, wie, und wann ich ihr von meiner Vergangenheit mit Alkohol erzählen werde – eine Vergangenheit, die hoffentlich vergangen bleibt – weiß ich noch nicht. Etwas Zeit habe ich bestimmt noch, ehe sich die Frage stellen wird. Wahrscheinlich wird es aufklärungstypisch ablaufen und in Schritten passieren, auf ihren Impuls hin, alters- und situationsabhängig. So viel Sorge davor habe ich gar nicht mehr. Dafür bin ich zu sehr zur Ruhe gekommen. Auch wenn ich wünschte, vieles wäre nicht passiert damals – es ist nun vorbei, und ich bin endlich da.

Ich bin angekommen, wo ich immer hinwollte: zu einem glücklichen und wunderschönen Leben mit Ehemann und Kind. Für diese zwei bleibe ich liebend gerne trocken und weine dem Alkohol keine Träne hinterher. Kinderwunsch, Schwangerschaft, Stillen und Erziehen – ja, Mutterschaft geht auch, wenn man ein schwieriges Verhältnis zum Alkohol hatte. Ich glaube sogar, es geht verdammt gut! Eine bessere Motivation, keinen Alkohol anzurühren, gibt es gar nicht. Für die Gesundheit des Kindes, für eine schöne Zeit als Familie, und für mein eigenes Glück.

photo by jordan whitt via unsplash

 

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