Introduction

Alkohol nach der Schwangerschaft

Alkohol nach der Schwangerschaft

In der Schwangerschaft muss man auf so manches verzichten. Auf einen flachen Bauch. Oder auf gefährliche Laborarbeiten. Auf so manche Medikamente. Ab einem gewissen Punkt womöglich auch darauf, seine Zehennägel zu schneiden oder sich selbstständig das Höschen anzuziehen. Und auch auf Alkohol.

Irgendwann danach

Zwei Sachen seien an dieser Stelle zugegeben. Die erste: Klar war ich mir meines schwierigen Verhältnisses zu Alkohol bewusst. Die zweite: Trotzdem dachte ich im Laufe der Schwangerschaft immer wieder an ein Glas Wein oder einen Cocktail in der Zeit danach.

Danach kann vieles heißen. Meistens war der Gedanke an ein kaltes Bier irgendwann, wenn die Schwangerschaft vorbei ist, nicht konkret zeitlich verortet. Ich sah mich immer noch mit einem Glas Sekt an Silvester anstoßen, irgendwann in der Zukunft, oder beim Ausflug ein Radler im Biergarten trinken.

Die Mär von der kleinen gehäkelten Decke

Ich malte mir aber auch konkret aus, wie ich all die Dinge, die ich jetzt nicht zu mir nehmen konnte, gleich, wenn das Baby draußen war, verschlingen würde. Ich sah mich direkt im Wochenbett auf der Station, mit einer kleinen gehäkelten Decke auf dem Beistelltisch auf Rollen. Mit einem Kerzenständer und einem halbgaren Steak und einem Rotwein im teuren Weinglas, mit Sushi als Beilage. Ganz klar: ein sehr realistisches Bild vom Krankenhaus.

photo by ashlee marie via unsplash

Natürlich war mir bewusst, dass ich weder einen Kerzenständer, noch ein Weinglas, noch Wein auf der Wochenbettstation sehen würde. Eine kleine gehäkelte Decke besitzen wir gar nicht, keine Ahnung, woher diese in meinem Tagtraum stammte. Und auch der Rest würde schwer zu beschaffen sein. Dieses Bild, das ich mir ausmalte, war eben nur das: eine Fantasie, ein Luftschloss, die Karikatur eines Klischees. Dass das Verbotene einen Reiz hätte, der den Durst darauf so groß wie der Brand am Morgen danach machen würde. Die vage Vorstellung blieb, mit dem formlosen Gedanken an Alkohol. Irgendwann danach.

Essen und Trinken mit Neugeborenem

Als Clara auf die Welt kam, hatten wir genug Sorgen. Die üblichen Sorgen frisch gebackener Erstlingseltern, und die spezielleren, die das Rückenmark in eine Rodelbahn verwandeln. Was es auf der Wochenbettstation zu essen gab, war komplett irrelevant. (Hauptsache es gab Wasser, denn kein Brand am Morgen danach ist so groß wie der Durst nach der Geburt.) In den ersten 15-18 Stunden hatte ich gar keine Zeit, geschweige denn den Kopf, um etwas zu essen.

Dann begann der anfängliche Schock in den ersten Wochen langsam abzuklingen. Nach und nach reduzierte er sich auf das wundervolle und unendlich anstrengende Standardchaos des heimischen Wochenbetts. Doch auch in diesem Strudel aus Stress, Begeisterung und Erschöpfung hatten wir keinen Kopf dafür, an Steak oder Sushi oder Wein zu denken. Wir versuchten, jede Minute, die wir schlafen konnten – oder zumindest einer von uns – auch zu nutzen. Mich laugte das nächtliche Stillen zusätzlich aus. Ich hätte unter der Dusche stehend einschlafen können. Selbst ein Teelöffel Wein hätte mich umgehauen. Ernährt haben wir uns viel von belegten Broten, da diese schnell gemacht waren und nicht kalt wurden.

photo by roberta sorge via unsplash

Doch irgendwann waren wir eingependelt und kamen im Elternsein an. Es gab Steak, es gab Sushi. Und Alkohol?

Alkohol in der Stillzeit

Alkohol und Stillen ist eine miese Kombi. Diese Ansicht vertreten eine Vielzahl an Verbänden und Netzwerken. Weder gut für die Milchbildung, noch für das Kind. Aber ein Gläschen, ein ritueller Schluck, würde doch schon gehen, oder?

Auch da blieb meine Überlegung eher vage. Mit dem Gedanken schien ich mich beschäftigen zu wollen, wenn es denn auch soweit wäre. Zu Ende gedacht ist es eigentlich klar, dass auch der eine Abend mit dem einen alkoholischen Getränk in der Stillzeit eigentlich nichts zu suchen hat. Nicht nur wusste ich es besser, es fühlte sich auch richtig an, es einfach nach hinten zu verschieben. Etwas später, wenn die Kleine nicht mehr so viel trinkt oder sogar abgestillt ist. Wenn sie älter ist, größer. Irgendwann später.

Rückblick in die 90er

photo by jaye haych via unsplash

Im Hinterkopf hatte ich auch die Geschichte, wie meine Mutter ein Glas Sekt trank, als ich zwei Monate alt war. Danach hatte ich die Brust konsequent abgelehnt und bekam ab da, quasi auf eigenen Wunsch, die Flasche. So endete unsere Stillbeziehung sehr früh. Als Clara mit zwei Monaten einen Stillstreik hatte, kam mir und ihrer Großmutter dann, fast 30 Jahre später, zum ersten Mal der Gedanke, dass es damals vielleicht gar nicht am Sekt lag. Vielleicht hatte auch ich einfach gestreikt – Anfang der 90er wurde man eben noch nicht mit zig Newslettern übers Stillen zugespammt. Dass es sowas wie einen Stillstreik gibt, hat meine Mutter erst mit Clara erfahren. Trotzdem blieb die Angst, dass auch meine Tochter vom Geschmack von Alkohol in der Milch so angewidert sein würde, dass sie sich abstillen würde.

Alkoholfrei?

Und da fiel mir auf, dass es noch einen weiteren Grund für meine Hemmung gab. Bereits in der Schwangerschaft hatte ich darüber nachgedacht, als es ums Anstoßen mit alkoholfreiem Sekt ging: das geschmackliche Priming. OK, von einem – alkoholischen oder alkoholfreien – Bier in der Stillzeit, das die Muttermilch geschmacklich vielleicht, vielleicht auch nicht, verändert, prädestiniere ich mein Baby nicht zu einem chronischen Spelunkengänger. Aber so in etwa fühlte es sich für mich an.

Und zwar auch bei alkoholfreiem Wein, Bier, Sekt und Schnaps (ja, den gibt es). Weder besonders evidenzbasiert, noch rational. Und doch: Wir entscheiden so viel aus dem Bauch heraus, gerade, wenn es um Kinder geht. Es fühlte sich – zumindest dann – nicht richtig an, der Kleinen diese Geschmäcker nahezubringen. Nicht mal in homöopathischen, metabolisierten Dosen.

Und so ließ ich aus guten, rationalen Gründen vorerst den Alkohol komplett weg. Und aus ungutem Gefühl auch die Alkoholfreien. Und verschob es weiterhin auf irgendwann später dann.

photo by brett jordan via unsplash

0 Kommentare zu “Alkohol nach der Schwangerschaft

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert