Introduction

Die Geburt

Die Geburt

Wir kommen gemächlich im Krankenhaus an. Wehen habe ich noch keine. Am Telefon hatte man uns angewiesen, uns langsam für die Geburt auf den Weg zu machen. Alles ohne Eile. Beim anfänglichen CTG zur Kontrolle setzen dann die Wehen ein. Von Anfang an sind sie sehr stark.

Mir ist übel. Vor Schmerz, aber auch, weil das nun mal Teil meiner Schwangerschaft ist, diese ständige Übelkeit. Die Hebamme empfiehlt mir ein Bad mit entspannenden Zusätzen. Ich bin kein Fan von Bädern, aber ich mache mit. Sie weiß es besser und einen Versuch ist es wert.

Etwa fünf Minuten lang tut das Bad gut. Doch dann wird mir umso schlechter und ich fange an zu brechen. An dieser Stelle sei gesagt: Die klarste Erinnerung aus der Geburt habe ich von dem Erlebnis, Jalapeños auszukotzen.

Atmen und Stöhnen

Die Wehen werden schlimmer. Ich weiß nicht, was mich mehr irritiert: Dass die Atmung, zu der mich die Hebamme animiert, eine andere ist als die, die uns im Geburtsvorbereitungskurs gezeigt wurde. Oder, dass keine dieser Atmungen, bei denen man einen stöhnenden Ton von sich geben soll („entspannt den Beckenboden“), auch nur annähernd möglich sind. Ich habe Schmerzen, ich kann da nichts veratmen. Beim besten Willen und bei allem Engagement, ich kann nicht. Mir fehlt die Energie dazu, ich kann mich nicht weg konzentrieren von den Schmerzen.

Georg versucht, mitzuatmen und mitzustöhnen. Es ist so liebevoll, doch es wirft mich komplett aus der Bahn. Genauso wie die Massagen. Ich bin ihm trotzdem unendlich dankbar für den Einsatz. Zwischen den Schmerzen finde ich die Energie, ihm zu sagen, dass das unglaublich fürsorglich ist und ich es wertschätze, aber es mich gerade stört. Energie für etwas Nettigkeit und Höflichkeit muss sein, auch wenn wir im Vorfeld besprochen haben, dass Manieren während der Geburt nicht die oberste Priorität haben.

Schmerzmittel

Kurz vor Mitternacht gebe ich auf und bitte um eine PDA. Wie so viele Schwangere hatte ich mir eine möglichst interventionsarme Geburt gewünscht. Hatte mir Strategien überlegt, wie ich eine PDA oder einen Wehentropf ablehnen würde. Im Krankenhaus wird einem sowas ja buchstäblich aufgedrückt, oder?

Die Realität sieht anders aus. Bis auf ein Buscopan-Zäpfchen und das Bad wird mir nichts angeboten. Und auch bei der PDA werde ich mehrmals gefragt, ob ich sicher sei. Das bin ich anfangs nicht. Mehr als zwei Stunden würde ich das nicht mehr aushalten. Doch ich habe eine Heidenangst, dass etwas schiefgeht, und ich tagelang mit Kopfschmerzen zu kämpfen hätte.

Doch selbst als die Entscheidung feststeht: Es ist mitten in der Nacht und bis der Anästhesist da ist, vergehen nochmal zwei Stunden.

Halbe-halbe

Während die erste Ladung gut wirkt, stelle ich im Laufe der Nacht fest, dass die PDA wohl schief sitzt. Auch die Empfehlung der Hebamme, mich beim nächsten Bolus auf die Seite zu drehen, brachte nichts. In den frühen Morgenstunden gab ich die Versuche auf, mittels Gravitation genug Schmerzmittel auf Links zu wuchten. Durch die ganzen Versuche war meine rechte Körperseite hüftabwärts komplett betäubt und mein Bein so gelähmt, dass ich es mit den Armen bewegen musste. Auf der linken Körperseite ging die Party ungebremst weiter.

Das klingt wie ein Horrorszenario. Doch in Wahrheit war das ziemlich geil. So hatte ich genug Schmerzfreiheit auf der einen Seite, um durchatmen zu können, und erlebte gleichzeitig eine „natürliche Geburt“ auf der anderen. Ein paar Stunden konnte ich mich so noch ausruhen (das periodische Jalapeño-Erbrechen mal ausgenommen), ehe der ganz aktive Teil anfing.

Trotz der anfänglichen Schmerzen ist es alles in allem eine schöne Geburt. Und auch die Kleine macht gut mit: Es gibt kein einziges Mal Anzeichen für Stress, das CTG sieht prima aus, die ganzen 17 Stunden lang. Eine entspannte Streberin, die Kleine.

Das Finale

Am Morgen muss dann doch der Wehentropf ran. Die Presswehen kommen, doch sie kommen in viel zu großen Abständen. An Gang gewinnt da nichts. Alle 20 Minuten einmal pressen, das bringt kein Kind auf die Welt. Schlimm finde ich das künstliche Oxytocin nicht mehr; alle Mitarbeiterinnen haben mir über die Nacht hinweg den Eindruck vermittelt, dass sie wissen, was das Beste ist. Außerdem läuft die Zeit davon: 18 Stunden nach dem Blasensprung müssen vorsorglich Antibiotika ran. Das möchte ich nach Möglichkeit vermeiden.

Mit zwei Frauenärztinnen, einer Hebamme und Georg neben dem Bett geht es ins große Finale. Für eine Presswehe werde ich in die Hocke geholt. „Sie hat dunkle Haare“, höre ich Georg von der Seite rufen. Anscheinend hat er doch etwas genauer hingeschaut, als ursprünglich vereinbart. Nochmal auf den Rücken zurück, noch einmal pressen. Ganz fest. Und dann ist sie da. Ein kleiner Conehead. „Woah“, murmeln wir. Sie schaut uns verwirrt an. „Keine Sorge“, murmele ich ihr zu. Zumindest erzählt mir das Georg später.

Viel los

Georg durchtrennt die Nabelschnur. Und ich höre sie schreien. Zwei Male. Es ist alles ok, denke ich mir und atme durch. Meine Übelkeit ist wie weggeblasen. Die drei Frauen nehmen sie kurz weg an den Wickeltisch, zum Einwickeln oder Abtupfen, für den ersten APGAR Test.

Doch ich kriege sie nicht wieder. Ich kriege sie nicht auf die Brust gelegt. Auf einmal ist sehr viel los, alle rennen umher. Hektik bricht aus. Es wird telefoniert. Von zwei Telefonen, doch am anderen Ende hebt niemand ab. Es wird geflucht. Jemand eilt aus dem Zimmer mit unserer Tochter.

Sie atmet nicht.

photo by janko ferlič via unsplash

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